„Die Weltgeschichte ist auch die Summe dessen, was vermeidbar gewesen wäre.“
Angesichts der heutigen politischen Großwetterlage sind das mehr als das Gemüt berührende Worte. Sie stammen von Bertrand Russell, englischer Philosoph und Literaturnobelpreisträger.
Das politische Leben, insbesondere in unseren Breitengraden, wird zur Zeit von dunklen Wolken überschattet.
Wäre das, was so viele furchterregende Schatten wirft, im Sinne von Russell vermeidbar gewesen? Die Frage ist allemal berechtigt, sie findet aber keine Antwort.
Seit jeher findet der Mensch keine Antwort auf das, was ihn des Öfteren im Innersten bewegt. Denn zumindest darin sind sich alle großen Denker einig: Das Böse ist eine das individuelle Leben, und somit unstrittig auch das Weltgeschehen beeinflussende Grundkraft. Francesco Petrarca hat dazu Folgendes geschrieben:
„Fünf große Feinde des Friedens wohnen in uns: Nämlich Habgier, Ehrgeiz, Neid, Wut und Stolz. Wenn diese Feinde vertrieben werden könnten, würden wir zweifellos ewigen Frieden genießen.“
Die amerikanischen Ureinwohner dürfen mitnichten außen vor gelassen werden, wenn es um allgemeingültige Weisheiten geht. Bekannt ist eine Indianersage (angeblich vom Volke der Cherokee stammend), die von einem Großvater berichtet, der seinem Enkelkind Lebensweisheiten beibrachte. „Mein Junge,- sprach der alte Mann – im Inneren eines jeden Menschen tobt ein Kampf zwischen zwei Wölfen. Der eine Wolf ist böse, eifersüchtig, rachsüchtig und stolz. Der andere ist gut, voller Freundlichkeit, Demut und Liebe. Diese beiden Wölfe kämpfen ständig miteinander.“ Der Junge hört gespannt zu und nach einer kurzen Denkpause fragt er den Großvater, wer von den beiden schließlich den Kampf gewinnt. Da lächelt der alte Mann gutmütig und antwortet: „Der, den du fütterst.“
Petrarca hat nie von einem Kontinent namens Amerika gehört. Der alte weise Mann der Cherokee-Indianer kannte sich in den Weiten der Prärie bestens aus. Von den Bleichgesichtern östlich des großen Teichs – nehmen wir einfach an, er hat zur gleichen Zeit wie Petrarca gelebt – hatte er nicht die geringste Ahnung. Sie waren physisch und geistig weit, sehr weit voneinander entfernt. Und nichtsdestotrotz: Ungemein nah.
Wenn wir schließlich einen anderen Großen der Geistesgeschichte aus einem anderen Winkel der Erde und einer anderen Epoche der Weltgeschichte hinzunehmen, der geschrieben hat:
„Denn das Gute, das ich will, das tue ich nicht; Sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich.“(Apostel Paulus), dann schwant es uns, welche übermächtigen Eigenschaften jene Kräfte haben, die unser menschliches Sein, Denken und Tun beeinflussen und mithin – leider oftmals in nicht vernachlässigbarem Maße – auch bestimmen.
Jedes Individuum. Jedes Kollektiv.