Der Anblick der meterhohen Zäune, die Orban im Süden seines Landes hat errichten lassen, ist ein Graus.
Warum aber ergreift uns prinzipiell nicht der gleiche Graus, wenn bei uns schwerbewaffnete Sicherheitskräfte nunmehr sämtliche Veranstaltungsstätten in der Stadt und auf dem Lande sichern, unsere (Weihnachts-) Märkte bewachen und die Busse, die unsere Fussballer zum Stadion fahren, begleiten müssen? Flughäfen und Bahnhöfe sind ohne der Omnipräsenz der Schwerbewaffneten ohnehin nicht mehr denkbar.
In Frankreich gab es die Vorwahlen zur Kür des neuen Staatsoberhauptes. Die Wahllokale der ehrwürdigen französischen Demokratie, der Demokratie des „Liberté, Egalité, Fraternité“, mussten von Maschinenpistolen bewacht werden. Jeder, der ein Wahllokal betreten hat, wurde „durchleuchtet“. Wo bleibt der Aufschrei, ihr Heuchler?
Heuchler. Was wäre das für ein heuchlerisches Zetern, wenn Maschinenpistolen das Straßenbild in Polen oder Ungarn beherrschen würden?
Ein Kind, das im Herbst 2017 eingeschult wird, kennt die Welt, seine eigene Heimat-Welt, nicht anders als großen, meist unsichtbaren aber reellen Gefahren ausgesetzt.
Sind im Prinzip der grausige Grenzzaun dort und die Omnipräsenz der Schwerbewaffneten hier nicht die gleichen blutenden Wunden am und im demokratisch-liberalen Staatskörper?
In einer ungestörten, lebendigen Demokratie befinden sich das Prinzip Freiheit und das Prinzip Sicherheit in einem gesunden Gleichgewicht. Wir erleben jetzt, wie fragil ein gesundes Gleichgewicht sein kann.
Sobald demokratische Strukturen bedroht sind, gerät das Ganze aus dem Gleichgewicht, denn sicherheitspolitische Aspekte rücken in den Vordergrund.
Die Notwendigkeit von mehr Sicherheit aber erdrückt die Freiheit, darunter kann peu á peu die Demokratie ersticken. So könnte die Orban`sche Zukunft aussehen.
Akkurat das Gleiche bewirkt das sich unsichtbar und lautlos wie eine Giftwolke ausbreitende Gefühl der allgemeinen Unsicherheit. So könnte Westeuropas Zukunft aussehen.
Es ist wie die Wahl zwischen Pest und Cholera.
Die jetzige und mittelfristige politische Großwetterlage gibt kaum Hoffnung auf etwas anderes als diese Wahl.
Zaun an der Grenze oder SEK-ähnliche Beamte auf der Strasse. Pest oder Cholera.