„Auf der Welt ist alles so schlimm – es wird mir zu viel“!
Das und Ähnliches hört man in der letzten Zeit des Öfteren.
Allerdings können wir alle etwas erleichtert aufatmen: Das ist die Grundtendenz und das Grundgefühl der letzten 200 Jahre.
Aber wir bezahlen dadurch, dass wir im wahrsten Sinne des Wortes am Puls der Zeit leben, den hohen Preis der psychischen Belastungen, die das genaue, quantitativ überbordende und simultane Informiertsein mit sich bringt. Es sind die Bilder, die das Erleben unmittelbarer und dadurch oft verstörender machen.
In einem vor Kurzem veröffentlichten Interview las ich kluge Worte des Historikers Andreas Rödder zu diesem Thema:
„Wenn wir – sagt Rödder – dieses Interview im Jahr 1983 geführt hätten, hätten wir doch eine ganze Stunde über die Wiederaufrüstung, den Ost-West-Konflikt, den sauren Regen und das Ozonloch geredet. Was für ein fürchterliches Jahrzehnt stand uns damals bevor – meinten wir. Und dann fiel 1989 die Berliner Mauer, der Ost-West-Konflikt endete, und wir dachten, das sei das Ende der Geschichte. Abgesehen davon, dass auch diese Idee falsch war, weil wir den Zustand von 1989 einfach fortgeschrieben haben: Kaum jemand hätte dies 1983 für möglich gehalten. Wir müssen in Möglichkeiten denken, und zwar im Guten wie im Schlechten, und uns dann vorbereiten. Das ist die Lehre der Geschichte.“
An diesem Beispiel kann nur zu gut verdeutlicht werden, dass die Zukunft radikal offen ist und dass niemand wirklich wissen kann, was kommt. Rödder meint, man sollte des Öfteren versuchen, einen der ältesten Fehler der Menschheit zu vermeiden: Die Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit als Erwartung der Zukunft fortzuschreiben.
Schonungslos offen ist jede Zukunft. Im Guten wie im Schlechten.
Man sollte demnach nicht naiv sein und das Schlechte ignorieren und ausklammern, aber genauso darf man nicht ins Defätistische schlittern und das Gute nicht einkalkulieren.