Es weihnachtet.
In den letzten Jahrzehnten hieß es in unseren Breitenkreisen immer: Es weihnachtet sehr. Das Wörtchen „sehr“ dürfen wir getrost weglassen. Es weihnachtet in Corona-Zeiten alles andere denn „sehr“.
Alle Jahre wieder. Alle Jahre wieder was? Ja, was denn?
Eben: Ein unzerstörbares Geheimnis, das die Menschen seit zwei Jahrtausenden fesselt. Seit zwei Jahrtausenden finden die einen das Geheimnis lächerlich, die anderen meinen, es gehört zum Besten, was einem Menschen, ja der ganzen Menschheit passieren kann.
So scheiden sich die Geister. Seit zweitausend Jahren.
Alle aber, ob Lächerlichmacher oder Befürworter, haben etwas Gemeinsames: sie geben zu, dass es da wirklich ein Geheimnis gibt. Und sie sind sich so ziemlich einig: das Geheimnis, das ist so groß, dass keiner, aber wirklich keiner es verstehen kann.
Man darf kaum einem Menschen vorwerfen, dass er vor diesem Geheimnis kapituliert. Dass er das Geheimnis verdrängt, ignoriert und es in die Welt der Fantasien schiebt. Nichts ist für den menschlichen Verstand einfacher, als Unzugängliches, ja Unzumutbares als Hirngespinste abzutun.
Die unfassbar einmalige geistige und religiöse Potenz des jüdischen Volkes indes kannte keine Berührungsängste mit Geheimnissen. Aber auch für sie galt: Der Schöpfer von Allem und Jedem war unnahbar, letztlich somit undenkbar. Das Wort „Gott“ war und ist ein Begriff für etwas, das wir niemals verstehen werden können.
Wenn wir Gott verstehen könnten, wäre Gott eben nicht GOTT.
Für die Juden vor zweitausend Jahren war das Geheimnis indes erdrückend groß. Ihr im positiven Sinne sturköpfiger Geist kapitulierte aber nicht. Sie wollten unbedingt einen Zugang zu diesem Geheimnis. Sie sehnten einen Zugang regelrecht herbei.
Und sie wurden erhört.
Ob das Kind in Bethlehem unter den bekannten bescheidenen Bedingungen in einem Stall geboren wurde und ob die Geburt an jenem Tag passiert ist, den wir Christen feiern, muss nicht, darf aber anstandslos bezweifelt werden.
Historisch unzweifelhaft ist aber, was aus diesem Kind geworden ist:
Ein junger Mann, der unaufdringlich aber resolut von sich behauptete, eben dieser Zugang zu dem Geheimnis aller Geheimnisse zu sein. Das muss man erst einmal an sich heranlassen. Und am besten nicht gleich verwerfen. Es gab und gibt Geistesgrößen, die lapidar feststellen: Wer nur halb nachdenkt, der glaubt an keinen Gott, wer aber richtig nachdenkt, der muss an Gott glauben. Es lohnt sich wirklich, darüber nachzudenken.
Was den oben erwähnten jungen Mann anbelangt: Es war der Kirchenhistoriker Philipp Schaff, der Folgendes festhielt:
„Dieser Jesus von Nazareth besiegte ohne Geld und Waffen mehr Millionen Menschen als Alexander, Cäsar, Mohammed und Napoleon; ohne Wissenschaft und Gelehrsamkeit warf er mehr Licht auf göttliche und menschliche Dinge als alle Philosophen und Gelehrten zusammen; ohne rhetorische Kunstfertigkeit sprach er Worte des Lebens, wie sie nie zuvor oder seither gesprochen wurden und erzielte eine Wirkung wie kein anderer Redner oder Dichter. Ohne selbst eine einzige Zeile zu schreiben, setzte er mehr Federn in Bewegung und lieferte Stoff für mehr Predigten, Reden, Diskussionen, Lehrwerke, Kunstwerke und Lobgesänge als das gesamte Heer großer Männer der Antike und Moderne.“
Das jüdische Volk sehnte den Zugang zum Geheimnis regelrecht herbei.
Ihre Sehnsucht war – leicht nachvollziehbar –  eine strikt nationale. Das Geheimnis kennt aber nichts Nationales. Nur Universales.
Und schickte ihnen einen Sprössling, der jüdischer nicht hätte sein können, der aber den kleindenkenden nationalen Geist seines Volkes mühelos und dezent überwand, um ALLEN MENSCHEN die Zugangsmöglichkeit zum GEHEIMNIS zu ermöglichen.
Gott sei Dank!