Dass die weltpolitische Gegenwart durch mannigfache Unsicherheitsfaktoren gekennzeichnet ist, wäre historisch gesehen nichts Ungewöhnliches. Seit jeher betrachten die Zeitgenossen ihre eigene Epoche als unsicher mitunter als bedrohlich. Wir alle auf Erden, die zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit sowas wie eine globale Schicksalsgemeinschaft bilden, machen hierbei keine Ausnahme.
Die Gegebenheiten, die unser jetziges Sein bestimmen, viele davon mit enormen globalen Auswirkungen, beunruhigen nicht wenige Zeitgenossen. Manche von ihnen verbreiten – insbesondere die zahlreichen Anhänger verschiedenster Verschwörungstheorien – eine (noch) niederschwellige Panikstimmung.
Diese heutige, unruhige Weltsituation ruft Hannah Arendt in Erinnerung.
Anno 1968 schreibt sie folgendes: „… zum ersten Mal haben alle Völker der Erde eine gemeinsame Gegenwart.“ Bereits vor einem halben Jahrhundert erahnte die mit einem sensiblen Gespür für künftige Entwicklungen ausgestattete deutsche Philosophin (mit jüdischen Wurzeln), welche Art Herausforderungen auf die folgenden „globalisierten“ Generationen zukommen werden. Sie schreibt weiter: „Jedes Volk, jede Nation wird der unmittelbare Nachbar jedes anderen werden, und Erschütterungen auf der einen Seite des Erdballs teilen sich mit außerordentlicher Geschwindigkeit der gesamten Erdoberfläche mit.“
Die Kulturgeschichte der Menschheit kann auf unzählige Personen mit prophetischen Gaben zurückblicken. Eine Prophetie ist zunächst mal Sache Gottes und Propheten waren und sind auserwählte Menschen, die die Botschaft Gottes verkünden. Der Begriff Prophet stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet Fürsprecher, Sendbote, Voraussager. Somit darf man getrost jemanden, der die künftigen Entwicklungslinien menschlicher Schicksalsgemeinschaften weissagen kann, ebenfalls als mit prophetischen Gaben ausgestattet bezeichnen.
Knappheiten aller Art und unendlich viel Not: das sind Attribute unzähliger Regionen unseres Erdballs.
In weiser Vorwegnahme künftiger Entwicklungen befürchtete H. Arendt einen „gewaltigen Zuwachs an gegenseitigem Hass und ein gewissermaßen universales „Sich-gegenseitig-auf-die Nerven-fallen“, also das, was man unter dem Begriff Ressentiment versteht. Ein existentielles Ressentiment hinsichtlich des Seins anderer Menschen ausgelöst durch ein intensives Gemisch aus Neid und dem Gefühl der Erniedrigung und der Ohnmacht. Ein Ressentiment, das immer da ist und immer stärker wird, das die Zivilgesellschaft vergiftet und die politischen Freiheiten untergräbt. Hierin liegt auch eine der gewichtigen Ursachen der weltweiten Wende hin zum Autoritarismus und den Formen von gefährlichem Chauvinismus.“
Sich-gegenseitig-auf-die Nerven-fallen. Augenzwinkernde Hanna Arendt: Das weltpolitische Heute vortrefflich offenbart.
Dabei war ihr – wie vielen anderen Geistesgrößen – unanfechtbar klar:
Die Frage nach dem Menschen – sie hat keine Lösung und wird auch keine haben. Sie hat lediglich eine Geschichte. In der deutschen Philosophin offenbart sich jener Geist, der sich von allem unterscheidet, was diesem in der Gegenwart spottet:
Vom Furor der Kommunikation, von der beschränkten Sprache der Wissenschaft, vom technoiden Machbarkeitsdelir.