Die geistige Zerrissenheit Deutschlands schreitet unaufhaltsam voran. Ob dieser Prozess des gesellschaftlichen Auseinanderdriftens eine typisch deutsche Erscheinung ist oder wie auch bei anderen Nationen eine objektive Abfolge historischer Momente darstellt, sei dahingestellt.
Der Spaltpilz in der deutschen Gesellschaft ist unübersehbar. Eigentlich für jedermann gut ersichtlich. Die Ursachen sind vielschichtig. Aber: wann, bitte schön, waren und sind Ursachen gesellschaftlich tektonischer Bewegungen nicht vielschichtig?
Apropos: haben sie sich schon in die Materie der sogenannten Identitätspolitik etwas eingelesen? Wir täten alle gut daran, uns damit zu beschäftigen:  Viele helle Köpfe unserer Gegenwart sind der Meinung, dass Identitätspolitik mittelfristig unsere Zukunft bestimmen wird. Natürlich nur solange, bis eine neue Geistesströmung das gesellschaftliche Miteinander erneut umkrempelt.
Wie recht er hatte: Salomo, Inbegriff des Weisen, mit seinem zeitlosen „Alles Irdische ist eitel.“ Ich kann nicht anders, ich muss Salomo weiter zitieren, nicht wörtlich (wer könnte das schon?), sondern sinngemäß:
„Alles Reden ist so voll Mühe, dass niemand damit zu Ende kommt.(…) Was geschehen ist, eben das wird hernach sein. Was man getan hat, eben das tut man hernach wieder und es geschieht nichts Neues unter der Sonne.
Geschieht etwas, von dem man sagen könnte: „Sieh, das ist neu“? Es ist längst vorher auch geschehen in den Zeiten, die vor uns gewesen sind.“
Identitätspolitik definiert sich ausnahmslos durch eine scharfe Trennung und durch eine klare Grenzziehung zwischen der Gruppe, der ich angehöre, und den Anderen. Die Anderen wiederum  sind allesamt in weiteren unterschiedlichen Gruppen unterteilt. Und alles spielt sich innerhalb von national gefestigten Gesellschaften ab, die obendrein tief im demokratischen Koordinatensystem verwurzelt sind. Es ist also nicht verwunderlich: Identitätspolitik nagt an den Grundfesten des Nationalen und des demokratischen Selbstverständnisses. Voilà!
Die Wege des Herrn sind unergründlich.
Aber gottlob nur im irdischen Denken. Und irdischer als Identitätspolitik geht es wohl kaum: weil egoistisch durchsetzt und narzisstisch gesprenkelt.