Ich kann mich an einen derart sommerlichen Herbst wie in diesem Jahr nicht erinnern. Die Essenz des Herbstes ist das Vergehen. Das langsame, bedächtige und würdevolle Sterben der Natur. Es ist erstaunlich, wie würdevoll Pflanzen sterben. Haben sie etwa uns Menschen „etwas“ voraus? Sind sie womöglich im Besitz eines „Wissens“, das uns Menschen verborgen bleibt?
Die Natur ist demütig und lehrt Demut. Es ist das, womit wir Menschen unsere größte Not haben. Uns nicht in den Mittelpunkt zu stellen. Wir sind nicht einmal zu einer würdevollen Demut fähig. Mit dem Begriff Stolz können wir umgehen. Mit Demut kaum.
Es gab und gibt aber welche, die aus der Reihe tanzen. Rainer Maria Rilke und sein Gedicht „Herbst“ wäre ein lehrreiches Beispiel dafür:
„Die Blätter fallen, fallen wie von weit
als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.
Und in den Nächten fällt die schwere Erde
Aus allen Sternen in die Einsamkeit.
Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen
Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
Unendlich sanft in seinen Händen hält.“
Unanfechtbar große Kunst will die Wahrheit und nicht die Wirklichkeit abbilden.
Dass Rilke einer der größten der Ars Poetica aller Zeiten war, steht außer Frage.