Vor mehreren Wochen habe ich mich zum europäischen Traum geäußert.

Wer über diesen Traum und überhaupt über Europas Zukunft viel Intelligentes erfahren will, möge den Gedanken des alten Spontis und eines der talentiertesten Politikers, den Deutschland nach 1945 hatte, folgen und sich an seinen Ausführungen ergötzen. Joschka Fischers „Der Abstieg des Westens“ ist überaus lesenswert. Beeindruckende geopolitischen Analysen, schnörkelloses politisches Denken, glaubhafte Schlußfolgerungen.

Mir persönlich fehlt er.  Auf jeder zweiten Buchseite gibt es mindestens einen zitatwürdigen Gedanken.

So wäre in Verbindung mit dem europäischen Traum folgendes zitierwürdig:

„Bei der großen innenpolitischen Auseinandersetzung mit dem Neonationalismus wird es daher vor allem um die Definition des Wir gehen: Wird es ethnisch-identitär und demnach exklusiv sein oder verfassungspatriotisch-staatsbürgerlich und damit europäisch und inklusiv? Jegliche Form von Anpassung der demokratischen Mitte an diesen neonationalistischen Trend wird ihn lediglich verstärken. Die westliche Demokratie muß diesen selbstdestruktiven nationalistischen Tendenzen mit einer eigenen großen Erzählung über unsere Gegenwart und vor allem unsere Zukunft und – zumindest in Europa – mit einem kontinentalen, großen Ziel für alle Europäer im 21. Jahrhundert entgegentreten. Europa wird in diesem Jahrhundert im Guten oder im Schlechten zur Schicksalsfrage aller Europäer werden (Nationalisten inklusive), entweder im gemeinsamen Niedergang oder in einer großen gemeinsamen Anstrengung, um diesem traurigen Schicksal zu entgehen. In welche Richtung die Würfel fallen werden, ist noch nicht ausgemacht, auch wenn dem alten Kontinent nicht mehr viel Zeit verbleibt.“

Oder: „Die aktuelle Schwäche der meisten westlichen Demokratien zeigt sich auch daran, dass an die Stelle von Politik mit einer scharfen inhaltlichen Zuspitzung, die verstehbare Alternativen eröffnet, nur allzu oft eine Langeweile produzierende Technologie der Macht getreten ist, Klein-Klein ohne Visionen. In dieses Vakuum sind die neuen Nationalisten mit ihren abenteuerlich gestrigen Positionen erfolgreich hineingestoßen.“

Das ganze Buch ist übervoll von inhaltsschwerem aber leicht verstehbarem weltpolitischen Geist.

Wer hören will, der höre. Wen es danach gelüstet, geopolitisch Vergangenes und Künftiges verstehen zu wollen, der kommt an Fischer nicht vorbei.

Ich verneige mich vor ihm.