„Ein Gespenst geht um…“

Aus dem ersten Satz des Kommunistischen Manifests ist ein geflügeltes Wort geworden. Vielfach anwendbar. Auch jetzt, heute, hier, allerorten.

Es geht heute ebenfalls ein Gespenst um. Das Gespenst des Verlustes der Glaubwürdigkeit. Weltweit. In allen Bereichen. An allen Ecken und Enden.

Der Dieselabgas-Skandal.

Der seit Jahren schwellende Deutungskampf, ob mit Informationen, die in die Welt gesetzt, Wahrheiten oder Lügen verbreitet werden. Die erst vor Kurzem so richtig ins Bewußtsein der Weltöffentlichkeit gelangte Erkenntnis der grenzenlosen Möglichkeiten der modernen medialen Maschinerie, Realitäten, Entwicklungen, Trends kinderleicht in einem subjektiv gewünschten Sinn zu manipulieren.

Das europäisch-russische Verhältnis stürzt in eine Krise, die die Welt seit dem Kalten Krieg nicht mehr erlebt hat. Die Weltöffentlichkeit weiß nicht, was genau genommen hinter dieser Krise steckt.

Nichts charakterisiert den geistigen Zustand unserer Welt besser als der Begriff Fake-News.

Und jetzt auch noch das infantile Facebook-Theater. Cambridge Analytica. Schockierte Facebook-Granden. Lächerlich. Die Geister die sie riefen…

Die heutige Welt verfügt über ein immenses Wissen, ihr ist aber der Kompass verloren gegangen. In Abwandlung des Sokrates-Wortes „Ich weiß, dass ich nichts weiß“, gilt heute uneingeschränkt:  ich weiß – und alle wissen es -, dass uns definitiv die Möglichkeit der Beurteilung des Wahrheitsgehaltes der immer neu generierten Informationen über unsere Welt abhanden gekommen ist. Keiner schafft mehr auch nur den geringsten Über- und Durchblick.  Ein generelles Ohnmachtsgefühl breitet sich aus.

Trotzdem sollten wir nicht verzagen. Es ist nicht das erste generationsübergreifende, epochenspezifische Ohnmachtsgefühl. Es gab dieses Gefühl immer wieder, seit es den denkenden Menschen gibt. Allerdings ist die Krise diesmal eine globale.

Sie – die Menschen – waren sich nie einig und werden es auch nie schaffen, Einigkeit darüber herzustellen, was WAHRHEIT ist oder sein könnte. Entsprechend unmöglich ist die Frage zu beantworten, ob es nun die eine Wahrheit gibt oder lediglich unendlich viele menschliche Wahrheiten.

Unumstößlich gibt es m.E. die unzähligen menschlichen Wahrheiten.  Allerdings ist diese wirre Unzählbarkeit beschränkt auf jenen Existenzraum, dem wir Menschen angehören. Die ultimativen Antworten auf die letzten Fragen sowohl des materiellen als auch des geistigen Universums sind auf einer andersartigen, menschlicher Geistesmacht nicht zugänglichen Mega-Ebene zu suchen.

Der christliche Glaube hat den Karfreitag. Die Engländer nennen ihn „Good Friday“. Warum auch immer. Aber lohnenswert ist es allemal, darüber nachzudenken.

An diesem besonderen Freitag treffen beide Ebenen und Räume in einer einmaligen Verdichtung in zwei historischen Personen aufeinander. Dabei wird uns auf eine drastische Weise vor Augen geführt:  die Unvereinbarkeit zwischen der einen transzendentalen Wahrheit und dem zerstückelten und zutiefst fragwürdigen menschlichen Wahrheitsverständnis.

Zitat aus dem Johannes-Evangelium Kap.18, Vers 36-38:

„Jesus antwortete: Mein Reich ist nicht von dieser Welt. (…)

Da fragte ihn Pilatus: So bist du dennoch ein König?  Jesus antwortete:  Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich die Wahrheit bezeugen soll. Wer aus der Wahrheit ist, der hört meine Stimme.“

Spricht Pilatus zu ihm: Was ist Wahrheit?“