Bewundert und hochgeachtet überall in der Welt sind die Nobelpreisträger. Meistens zu Recht. Am Ende eines jeden Jahres warten wir alle gespannt auf die Entscheidungen, die in Stockholm und Oslo gefällt werden.

Nun, wir blicken zurück in das Jahr 2002.

Imre Kertesz, ungarischer Schriftsteller jüdischer Herkunft, erhält in jenem Jahr den Nobelpreis für Literatur. Sein „Roman eines Schicksallosen“ zählt zu den eindrucksvollsten Werken über den Holocaust überhaupt. Er und sein Gesamtwerk wurden in Deutschland damals groß gefeiert.

Gefeiert wurden allerdings nur Ausschnitte, nur Bruchteile von Kertesz` Werk und Persönlichkeit.

An Imre Kertesz` Rezeption in Deutschland kann man gut die Art und Weise studieren, wie in unserer heutigen Welt Fakten verbreitet, Wahrheiten generiert, Informationen zu Propagandazwecken eingesetzt werden.

Veröffentlichte Fakten sind immer das Produkt von Selektion, die immer auch anders hätten ausfallen können. Zugegeben: in unserem westeuropäischen Kulturkreis wird nicht zensiert. Gleichwohl sind in den öffentlichen Medien seit geraumer Zeit beunruhigende Tendenzen auszumachen. Eine oft verblüffend ungenierte Selbstzensur, die Tendenz zur sogenannten „weißen Lüge“ und insbesondere der Hang zum Verschweigen.

Das Verschweigen im Namen einer vermeintlich hehren Idee.

Kertesz` Holocaustwerk wurde von der deutschen Kulturszene euphorisch gefeiert. Es passte so gut in das Schema des „verklemmten deutschen Selbsthasses“, wie Botho Strauß das treffend bezeichnete. Nichts hat der Deutsche davon erfahren, dass Kertesz auch andere, unsanftere Töne anschlagen konnte.

Kertesz der Holocaust-Überlebende, Kertesz der europäische Jude, der Nobelpreisträger schleudert uns auch Worte entgegen, die in den Augen der Mainstream-Ideologen unter den Teppich gekehrt werden mussten, weil sie einfach nicht in das Ideologie-Schema des Gutmenschen passten.

Seine verzerrte und befangene Rezeption in Deutschland ist ein Musterbeispiel davon, was Political Correctness eigentlich ist: eine vernunftwidrige, oft peinliche Sprachhygiene, selbstgerechter Moralismus, Heuchelei und eine infantile Perversion des Toleranzgedankens.

Und das sind die Worte des tief, sehr tief in der europäischen Kultur und dem europäischen Geist verwurzelten ungarischen Juden, der Auschwitz und Buchenwald überlebt hat.

Etwas Vorsicht ist allerdings geboten:  seine Worte ergeben nur dann Sinn, wenn man den historischen Bogen über die letzten 14 Jahrhunderte europäischer und nordafrikanischer Geschichte spannt. Ansonsten ist alles für die Katz.

„Zur Politik wäre noch das eine oder andere zu sagen, aber das wäre wirklich unnütze und langweilige Zeitverschwendung. Es ginge darum, wie die Muslime Europa überschwemmen und in Besitz nehmen, direkt gesagt, zerstören werden, darum, wie Europa das alles handhabt, es ginge um selbstmörderischen Liberalismus und die Dummheit der Demokratie. Das ist stets das Ende. Die Zivilisation erreicht einen überzüchteten Zustand (meine Unterstreichung),  in dem sie nicht nur nicht mehr fähig, vielmehr auch nicht mehr willens ist, sich zu verteidigen, in dem sie, unverständlicherweise, ihre eigenen Feinde verherrlicht. Und dazu kommt, dass man das alles nicht öffentlich sagen darf. Wieso nicht? Die Frage würde mich nicht beunruhigen, wenn ich nicht inzwischen zur „öffentlichen Person“ geworden wäre. Ich fange an, den Zwang zu begreifen, aus dem die allgemeine große Lüge sich speist: Es ist einfach unmöglich, gegen diesen Zwang anzukämpfen, für den Politiker deshalb, weil er seine Popularität verliert, und für den Schriftsteller ebendeshalb. Die Lüge und die totale Selbstaufgabe gehören zu den guten Manieren.“(Aus den „Tagebücher 2001-2009“).

Fürwahr: sind diese beunruhigenden Sätze das resignierte Resümee des tief im europäischen Geist Verwurzelten oder Ausfluss der gern paraphrasierten  jüdischen „Paranoia“? Oder von beidem etwas?  Oder….

P.S. Kertesz` Sätze könnten übrigens genauso gut von einem anderen „Ver-rückten“ stammen. Von einem Franzosen namens Michel Houellebecq.