Schulz, das Phänomen.

Man reibt sich die Augen und staunt nicht schlecht. Der Dino unter Deutschlands Parteien, die gute alte Sozialdemokratie, bis vor kurzem im tiefsten politischen Morast verortet, erblüht in diesen Tagen in einem Modus und Tempo, was nur den einen Schluß zulassen vermag, nämlich, dass das alles nicht mit rechten Dingen zugehen kann.

Weit gefehlt. Die Erklärung liegt auf der Hand.

Es ist ein Schwachsinn aufklärerischen Ursprungs zu glauben, dass man Menschen, die nach Orientierung lechzen, mit lebensklug-sachlichen und rationalen Informationen weiterhelfen könnte. Wer Angst hat, wer wütend ist, wer sich ungebührlich behandelt und zurückversetzt fühlt, der kann mit Ratio oder gar mit Fakten nichts anfangen. Es ist ebenfalls ein naiver aufklärerischer Irrglaube, dass die Menschen die Wahrheit suchen und den Schein verachten.

Schulz, das Phänomen.

Dieser Politprofi – gestählt, mit Verlaub, im Brüsseler Panoptikum der Abgehalfterten –  weiss sehr genau, wonach sich Menschen sehnen. Der Kulturhistoriker Johan Huizinga sprach seinerzeit davon, dass Menschen betrogen werden wollen. Betrogen. Starker Tobak, das klingt böse, ja ungeheuerlich. Der Kern dieser Behauptung ist aber einfach nur: wahr.

Wir alle geben uns gerne Illusionen hin, man lässt sich von sich selber gerne täuschen und keiner von uns hat was dagegen, sich eine Zeit lang Illusionen hinzugeben. Schulz verkauft Illusionen und das derart mephistophelisch professionell, dass man bereits jetzt ohne weiteres behaupten kann, dass er große Chancen hat, zum nächsten deutschen Kanzler gewählt zu werden.

Das so oft gebrauchte und dadurch ziemlich abgedroschene Bild des Rattenfängers von Hameln scheint hier nicht unbedingt deplatziert.

Bleiben wir aber bei der Sache. Es spielen natürlich auch andere Einflüsse eine Rolle. Der ganz normale Überdruß mit der Amtsinhaberin. Dann eine alte bundesrepublikanische Polit-Weisheit, dass Herausforderer nicht gewählt, sondern Kanzler abgewählt werden. Was soll`s: Macht zerfällt, Macht zerbröselt.

Dass ich selber –  wie jeder andere auch –  von Fiktionen nicht gefeit bin und gewollt oder ungewollt auch an Illusionen hänge, bezeugen meine nächsten Überlegungen.

So würde ich es gutheißen, wenn im September eine Koalition zustande käme, wo die Sozis das Sagen haben, weil nur so das gesamte Spektrum des liberalen deutschen Konservatismus im Stande und genötigt wäre, sich neu zu ordnen. Eher: sich neu zu erfinden.

Zu guter Letzt: dass politische Absicht und wahlpolitisches Abwägen von vielem abhängen nur nicht unbedingt von politischer Vernunft und Redlichkeit, beobachte ich an mir selber und an meinem folgenden noch etwas schamhaften Wunsch:

Weil sie eine aufrichtig begeisterte Anhängerin von Goethes einzigartigem Humanismus ist und sich nicht selten chick, attraktiv und sexy kleidet, wünsche ich mir Sahra Wagenknecht in das nächste deutsche Bundeskabinett.