Vor gefühlt 2 Wochen haben sich zwei der besten Tennisspieler aller Zeiten ein mehr als hochklassiges Duell geliefert.
Vor allem der 3. Satz dieses denkwürdigen Spieles zwischen Nadal und Djokovic wird als vielleicht das beste Satzspiel aller Zeiten in die Annalen des Tennissports eingehen. Das Spiel fand pandemiebedingt vor viel zu wenig Zuschauern auf der berühmten Anlage von Roland Garros in Paris statt.
Dem aufmerksamen (TV) Zuschauer sind an diesem denkwürdigen Pariser Sommerabend sicherlich auch zwei weitere Ereignisse aufgefallen, die zumindest erwähnungswürdig wären.
Wie schon angedeutet durften vielleicht drei bis vier Tausend Zuschauer das Spiel live erleben. Nach behördlichen Vorgaben – Corona sei Dank! – hätten diese Personen die Tennisanlage nach dem dritten Satz räumen müssen, um rechtzeitig um 23 Uhr zu Hause zu sein.
Man kann sich die einmalige, positiv aufgeheizte Atmosphäre leicht vorstellen, die auf den Zuschauerrängen nach dem sagenhaften dritten Durchgang geherrscht hat: Bedingt durch die vielen coronageschwängerten Abstinenzmonaten waren die Zuschauer im höchsten Maße aufgewühlt und begeistert von dem, was ihnen die beiden Ausnahmeathleten geboten haben. Die Schleusen monatelang unterdrückter positiver Emotionen wurden weit geöffnet und sollten abrupt am Ende dieses von einem anderen Stern stammenden Tennissatzes erneut geschlossen werden.
Weil die Behörden das vorab so beschlossen haben.
In Anbetracht dieser so nicht vorhersehbaren Situation musste die Turnierdirektion innerhalb weniger Minuten eine Entscheidung fällen. Halten sie sich stur an die behördlichen Vorgaben oder entscheiden sie sich spontan dafür, diese einmalige Atmosphäre auf den Rängen nicht herzlos-bürokratisch zu zerstören?
Ich bin überzeugt, dass der Turnierdirektor nicht zum Handy gegriffen hat, um von der Bürgermeisterin von Paris die Erlaubnis einzuholen, die Leute nicht nach Hause schicken zu müssen. Er hat einfach Verantwortung übernommen und sich spontan für das Menschliche und gegen das Bürokratische entschieden.
Es stellt sich die schlichte Frage:
Wie viele von uns hätten so gehandelt?
Nach dem großartigen Satz der beiden Protagonisten war diese Entscheidung der zweite denkwürdige Moment des Abends.
Aber keineswegs das letzte überwältigende Ereignis.
Die Zuschauer wussten natürlich, dass sie die Anlage zu einem gewissen Zeitpunkt verlassen müssen. Dieser Zeitpunkt war mit dem berauschenden Ende des besagten 3. Satzes zusammengefallen. Sie sollten jetzt ihre Plätze verlassen und den Heimweg antreten. Da platzte die Nachricht über sie herein, dass sie die Anlage wider Erwarten doch nicht verlassen müssen. Das Überraschungsmoment war perfekt, das Wechselbad der Gefühle, dem sie in einer überaus kurzen Zeitspanne ausgesetzt waren, wich einer nur allzu verständlichen Erleichterung und einer tiefen, dankbaren Genugtuung.
Und nun raten sie mal, was diese französischen Zuschauer getan haben?
Sie stimmten aus vollen Kehlen ihre Nationalhymne an.
Die Marseillaise.
Wem das nicht unter die Haut geht…