Je länger man lebt, desto deutlicher sieht man, dass die einfachen Dinge die wahrhaft größten sind.
Dabei macht man eine merkwürdige Erfahrung: dass sich hinter den Wichtigkeiten der Welt – Ansehen, gesellschaftliche Stellung, Beziehungen, Geld, Wissen und Können – eine eigenartige Leere durchscheint.
Jene „Maximierer“, die in allen Dingen das Preis-Leistungs-Verhältnis beachten und stets noch etwas Besseres finden wollen, sind meist keine glücklichen Menschen.
Es liegt mir gewiss fern, über das Glücklichsein zu referieren. Es gibt Phänomene, die sich selbst einer minimalen objektiven Erörterung durch menschliches Wissen und Geist weitestgehend entziehen. Das gilt insbesondere für unsere Zeiten, da das Wissen rasend schnell wächst.
Dafür wird die Weisheit immer weniger.
Glücklich sind eher jene, die eine unauffällige Genügsamkeit als Leitmotiv ihres Lebens betrachten. Jene, die eine Grundhaltung innerer Freiheit anstreben. Eine Freiheit, die eine souveräne Anspruchslosigkeit und letztlich eine sorglose Gelassenheit zur Voraussetzung hat. Dazu – nur nebenbei – ein Wort, das ich mir immer wieder gerne in Erinnerung rufe: „Geborgenheit im Letzten gibt Gelassenheit im Vorletzten“. Glücklich sind jene, die es fertigbekommen, ihr Leben danach auszurichten.
Es ist altes geistig-christliches Gemeingut, dass jeder Mensch sein individuelles Kreuz trägt. Am Kreuz hängen nahezu alle: von Sorgen gequält, von Mitmenschen geplagt, von Ansprüchen kirre gemacht oder von Langeweile erdrückt. Von Angst gepeinigt und von Hass vergiftet, von der Familie verstoßen und von Freunden vergessen. Es gibt niemanden, der nicht sein unverwechselbares Kreuz zu tragen hat.
Nein: der Mensch kann sich nicht selbst erlösen, weder durch philosophische Reflexion, Yoga oder Schönheitsoperationen noch durch Psychotherapeuten, Personal Trainer oder anderweitige Coaches. Hier soll Erlösung nicht nur im streng theologischen Sinne aufgefasst werden, sondern gleichsam als Synonym für (religionsunabhängige) Befreiung etwa, für Rettung oder gar Neuschöpfung.
Glück, Zufriedenheit und Seelenfrieden lassen sich nicht erarbeiten, nicht durch Karriere, nicht durch Statussymbole oder zur Schau getragenes Aussteigertum. Weder eine nachhaltige ökologische Lebensführung noch zivilgesellschaftliches Engagement – so lobenswert und wünschenswert es sein mag – wird das Leben eines Menschen sinnvoller oder „besser“ machen.
Demnach muss die Quelle menschlichen Glücks anderswo gesucht werden. Der rein vegetative Ablauf eines Daseins ist eine dem Menschen unwürdige Haltung. Die menschliche Würde spiegelt sich wider in einem Leben aus der Tiefe des Menschlichen zum Unterschied zum platten Dasein. Ich hadere mit der sowohl dem Individuum als auch der Gesellschaft aufgezwungenen Eindimensionalität des Lebens, dieses stumpfe Werden und Vergehen mit den unzähligen Trivialitäten, die das Menschenleben ausmachen.
Wer dem beipflichtet, kommt nicht drum herum, sich auf das Wagnis des glaubenden Vertrauens einzulassen.
Denn Glauben bedeutet in erster Linie Vertrauen und beinhaltet zudem – von vielen sträflich missachtet und leichtfertig ignoriert – ein nicht zu unterschätzendes Anwachsen eigenen geistigen Lebens.
Ein befriedigendes, ja sinnstiftendes Suchen, um die Ödnis der Eindimensionalität zu überwinden.