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Wenn es um einen sportlich und medial relevanten Boxkampf geht, ist in den meistens Fällen einer der Kontrahenten der Titelverteidiger. Der andere: der Herausforderer. Vor dem Kampf treten sie vor die Presse und erläutern vollmundig, warum der Gegner im anstehenden Kampf keine Chancen haben wird. Solch ein Gebaren kann prinzipiell auf geopolitisch motiviertes Verhalten von Staaten übertragen werden.
So geschehen in der kürzlich stattgefundenen militärischen Auseinandersetzung zwischen den Vereinigten Staaten und dem Iran.
Im Boxkampf verteidigt der eine seinen Titel.
Die Vereinigten Staaten sind in den Ring gestiegen, um der ganzen Welt nach Jahren politischer Zurückhaltung den erneuten Anspruch als globale Ordnungsmacht geltend zu machen.
Teheran als eher naiver Herausforderer hat sich eine blutige Nase geholt. Das sind die Fakten.
Man kann das alles (wohlklingender wäre eher: man sollte das alles…) natürlich aus verschiedenen Perspektiven betrachten. Es sind viele, die die amerikanische Aktion als Eskalation sehen. Andere wiederum sehen darin eine Rückkehr zur geopolitischen Wirklichkeit.
Fakt ist: Die Weltlage ist heute im Prinzip genauso unverändert wie in den letzten 3 Jahrtausenden. Frieden entsteht nicht durch Wunschdenken, auch nicht durch gutgemeinte Demonstrationen (dort, wo sie halt erlaubt sind), auch nicht durch diplomatische Endlosschleifen. Frieden entsteht dort, wo eine entschlossene Macht klare Kante und keinen Widerspruch duldende Führung zeigt. Ich persönlich und zahlreiche meiner Zeitgenossen sind darob alles andere als glücklich. Andererseits ist die Leugnung von handfesten Realitäten auch keine Option.
Barack Obama setzte auf Smartheit.
Joe Biden setzte mangels geistiger Frische auf Zurückhaltung.
Donald Trump wählte die Abschreckung durch Härte und Entschlossenheit.
Und nun: Wer von den drei Präsidenten hat den richtigen Weg eingeschlagen? Das ist keineswegs eine rhetorische Frage, die Antwort wird, wie fast immer, erst die Zukunft bereitstellen.
Von der UNO hat sich Trump nicht beeinflussen lassen. Ohnehin – das sollte nicht unerwähnt bleiben – ist die UNO nur noch ein Schatten seiner selbst, ein Welt-Organ, das seinen eigenen Ansprüchen, die vor ca. 7 Jahrzehnten feierlich aufgesetzt wurden, nicht mehr gerecht werden kann. Nahezu zwei Drittel der Staaten, die zur Weltorganisation gehören, sind dezidiert autokratisch, generös islamfreundlich und hasserfüllte Gegner des Staates Israel.
Offenbar bedeutet „Amerika First“ nun doch nicht, wie man gemeinhin schlussfolgern konnte, Rückzug auf inneramerikanische Angelegenheiten oder gar Isolationismus. Hier hat Trump auf eine neue Art amerikanische Machtansprüche und Machtinteressen demonstriert, und zwar auf eine höchst klare und konsequente Weise.
Teheran weiß indessen allzu gut: allein schon der Gedanke an die begehrte Atombombe ist ein hochrisikobehaftetes Unterfangen.
Dass die Lage im Nahen Osten durch die letzten militärischen Ereignisse nicht entschärft werden konnte, müsste jedermann klar sein.
Dieses Gebiet vom Libanon- und Karmelgebirge im Westen bis zur iranisch-afghanischen Grenze im Osten ist seit biblischen Zeiten eine Landschaft, wo das Innere der Erde nicht nur Unmengen an Gas und Erdöl beherbergt, sondern deren Erdoberfläche in den vergangenen drei Jahrtausenden von einigen Tausend Hektoliter Blut getränkt wurde. Große und kleine Mächte entstanden hier und verschwanden wieder auf einem Gebiet mit nie endend wollenden Kämpfen um strategische Überlegenheit.
Trump und Israel haben die strategische Tektonik der Region etwas verschoben. Mehr auch nicht.
Gas. Erdöl. Geopolitik. Blut.
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Der SPIEGEL hat vor einigen Wochen ein Gespräch mit Generalinspekteur Carsten Breuer über die künftige bundesdeutsche Wehrhaftigkeit geführt. Hier nun ungekürzt ein Leserbeitrag zu diesem Thema:
„Generalinspekteur Breuer meint, dass wir zum Motor der Abschreckung in Europa werden müssen. Dieser Appell richtet sich an eine Gesellschaft, in der nach repräsentativen Befragungen ein Großteil der Jugendlichen im Verteidigungsfall nicht bereit wäre, zur Waffe zu greifen, viele politische Protagonisten den Kriegsdienst verweigert haben, Schulen Jugendoffizieren der Bundeswehr immer noch den Zutritt verweigern, über 70 Universitäten sich mit einer Zivilklausel weigern, Militärforschung zu betreiben und die Bundeswehr schon jetzt an personeller Auszehrung leidet.
So viel zur Fallhöhe von Wunschdenken und Realität.“
Warum? Warum diese zum Himmel schreiende Diskrepanz zwischen dem gesunden Menschenverstand des Lesers und dem politisch motivierten Duktus des Generals?
Unwürdig ist eine solche Diskrepanz.
Einer Demokratie unwürdig. Diese Art von erbärmlicher Widersprüchlichkeit kenne ich persönlich und sie speist sich bei mir vornehmlich aus zwei Quellen:
Zum einen war und ist diese Diskrepanz eine „tragende Säule“ eines jeden kommunistischen Regimes, dessen Funktionsmechanismen mir ungetrübt und zuverlässig in Erinnerung geblieben sind.
Zum anderen kann jeder, der Interesse an solchen Quellen bekundet, im Orwellschen Panoptikum fündig werden.
Und da wäre noch etwas: In der Diskussion um die Wehrpflicht und insbesondere um die Kriegstüchtigkeit der eigenen Bevölkerung wird generell die allerwichtigste Frage konsequent umschifft: Ja, militärische Ausstattung und Technik sind von enormer Relevanz. Aber es geht um wesentlich mehr: Es geht um die entscheidende Frage, welches hohe Gut denn in den Kampfring geworfen wird, wofür es sich lohnen sollte, das eigene Leben in einer womöglich offenen Feldschlacht zu riskieren. Die „alte Lüge“, dass es süß sei, fürs Vaterland zu sterben, ist bereits seit dem Ersten Weltkrieg, aber gewiss seit dem Zweiten als etwas zutiefst Sinnwidriges und als unzeitgemäße Torheit entlarvt worden. Das hohe, edle Gut, wofür es sich lohnen würde, sein Leben zu riskieren, ist weit und breit nirgendwo zu erahnen, geschweige denn zu benennen.
Alles, wofür man in den letzten Jahrhunderten in die Schlacht gezogen ist, ist bekanntlich verpönt: Familie, kulturelle Gemeinschaft, Volk, Nation, Vaterland. Zumindest die drei letztgenannten Begriffe wurden aus dem Bewusstsein der letzten drei deutschen Generationen gründlich ausgetrieben. Exorziert.
Für welches hohe und heilige Gut soll sich der 20-jährige Wehrpflichtige in das Schlachtgetümmel werfen?
Jeder Politiker, jeder Würdenträger scheut das Benennen dieses hohen Gutes wie der Teufel das Weihwasser.