DIE MENSCHEN LIEBTEN DIE FINSTERNIS MEHR ALS DAS LICHT

„Es begab sich aber zu der Zeit…“
Nein, nein!
Ich will nicht wirklich den Eingangssatz des 3 Kapitels des Lukasevangeliums zitieren, sondern einen Bürgermeister zu Worte kommen lassen, der seinen Bericht auch so ähnlich hätte beginnen können wie der Apostel Lukas, den, gemeint ist der Bürgermeister, die meisten von uns nachvollziehbarerweise nicht kennen:
„Da ist es geschehen, dass die Stadt mit allen ihren Einwohnern in die Hände und Gewaltsamkeit ihrer Feinde gerathen(…)Da ist nichts als Morden, Brennen, Plündern, Peinigen, Prügeln gewesen. Insonderheit hat ein Jeder von den Feinden nach vieler und großer Beute gefragt. Wenn dann eine solche Partei in ein Haus gekommen, und der Herr etwas zu geben vermocht gehabt, hat er sich und die Seinigen so lang salviren und erhalten können, bis eine andere, die auch was haben wollen, wieder angekommen(…)Unter welcher währenden Wütherei dann, und da diese so herrliche, große Stadt, die gleichsam eine Fürstinn im ganzen Lande war, in voller brennender Gluth und solchem großen Jammer und unaussprechlicher Noth und Herzeleid gestanden, sind mit gräulichem ängstlichen Mord- und Zetergeschrei viel tausend unschuldige Menschen, Weiber und Kinder kläglich ermordet und auf vielerhand Weise erbärmlich hingerichtet worden, also daß es mit Worten nicht genugsam kann beschrieben und mit Thränen beweint werden(…)
Es hat aber diese trübselige Zeit nicht viel über zwei Stunden lang in der Stadt gewähret, indem durch den unversehens zustoßenden Wind das Feuer(…) dergestalt überhand genommen, daß um 10 Uhr Vormittags alles im Feuer gestanden, und um 10 Uhr gegen die Nacht die ganze Stadt, zusammen mit dem schönen Rathhause und allen Kirchen und Klöstern, völlig in der Aschen und Steinhaufen gelegen(…)
Also hat man diese weitberühmte, vornehme Stadt und Zierde des ganzen Landes in einem Tage in Feuer und Rauch aufgehen und ihre übrig gebliebenen Einwohner mit Weib und Kindern gefangen vor dem Feinde hintreiben gesehen, daß das Geschrei, Weinen und Heulen gar weit ist gehört und die Lohe und Asche von der Stadt bis in Wanzleben, Egeln und weiter Orte durch den Wind verführet worden(…)
Belangend die Anzahl der Erschlagenen und Umgekommenen in der Stadt, weil nicht allen das Schwert, sondern auch das Feuer viel Menschen aufgefressen, kann man dieselbe nicht eigentlich wissen, denn nicht allein bald nach dieser erbärmlichen Einäscherung der General Tilly die verbrannten Leichname und sonst Erschlagenen von den Gassen, Wällen und andern Plätzen auf Wagen laden und in´s Wasser der Elbe fahren lassen, sondern man hat auch fast ein ganzes Jahr lang nach der Zeit in den verfallenen Kellern viel todte Körper zu 5,6,8,10 und mehr, die darin erstickt und befallen gewesen, gefunden und weil die, so auf den Gassen gelegen, sehr vom Feuer verzehrt und von den einfallenden Gebäuden zerschmettert gewesen, also man oft die Stücken mit Mistgabeln aufladen müssen, wird Niemand die eigentliche Summam benennen können(…) Die abgestorbenen Leichname, so vor das Wassethor hinaus in die Elbe geführt worden, haben, weil an dem Orte alle Wege ein Kräusel oder Wirbel ist, nicht bald hinwegfließen können oder wollen, also daß viele da lange herumgeschwommen, die theils die Köpfe aus dem Wasser gehabt, theils die Hände gleichsam gen Himmel gereckt und dem Anschauer ein fast grausam Spectakel gegeben haben, davon denn viel Geschwätzes gemacht worden, gleich als hätten solche todte Leute noch gebetet, gesungen und zu Gott um Rache geschrieen(…)“
Grausame Zeiten. Unvorstellbares Leid. Rohe, brutale, entmenschlichte Gewalt.
Der Apostel Johannes, wohl Jesu` liebster Freund, schrieb:
„Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn gerettet werde(…) Das ist aber das Gericht, dass das Licht in die Welt gekommen ist, und die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht, denn ihre Werke waren böse“.
Magdeburg Anno 1631. Was am 20. Mai 1631 in Magdeburg abspielte, gehört zu den dunkelsten Kapiteln der Menschheitsgeschichte schlechthin. Obiger Text entstammt einer Chronik des Magdeburger Bürgermeisters Otto Guericke(1602-86)
Magdeburg Anno 1945. Eine nahezu totale Vernichtung der Stadt durch alliierte Bombardements am 16. Januar 1945
Magdeburg Anno 2024. Unzählige trauernde und weinende Magdeburger wenige Tage vor Weihnachten, dem Tag, da die Geburt „des Lichts dieser Welt“ alle Jahre gefeiert wird.
„Die Menschen liebten die Finsternis…“
Warum DU? Warum immer wieder DU, oh Magdeburg?